Kranzniederlegungen am Volkstrauertag 2023 in Jüchen-Kelzenberg und Jüchen-Waat

Die Ansprache hielt Herr Harald Zillikens, Bürgermeister der Stadt Jüchen

Volkstrauertag 2023

 

Am 19. November 2023 beteiligten sich

unser Gesangverein und der Posaunenchor Kelzenberg

an der musikalischen Untermalung bei der

Gedenkstunde zum Volkstrauertag

des Heimatvereins Kelzenberg - Mürmeln

und der Feuerwehr Jüchen, Löschgruppe Waat

 

 

11.30 Uhr Denkmal auf dem Friedhof Jüchen-Kelzenberg

12.00 Uhr Denkmal in Jüchen-Waat gegenüber der Feuerwehr

 

 

Die Ansprache hielt der Bürgermeister der Stadt Jüchen Herr Harald Zillikens:

(Manuskript: Volkstrauertag 19. November 2023 - 11.30 h Kelzenberg / Waat)

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

 vor einem halben Jahr gewann die deutsche Neuverfilmung des Antikriegsdramas „Im Westen nichts Neues“ vier Oscars. Der Film nach dem Roman von Erich Maria Remarque beschreibt das Grauen des Ersten Weltkriegs und das Leid der Soldaten in drastischen Bildern. Er führt die Sinnlosigkeit des Sterbens vor Augen. Die Menschen waren zutiefst verstört und erschüttert von den Schrecken des Ersten Weltkriegs. Der junge Soldat Paul Bäumer erlebt das „Schlachten“ an der Westfront, den Gaskrieg und letztendlich seine eigene verzweifelte Grausamkeit. Kurz vor dem Ende des Krieges stirbt er an einem Tag, an dem es so ruhig und still ist, dass der Kommandierende im Heeresbericht für jenen Tag notiert: „Im Westen nichts Neues“. Der Tod ist zum Alltag geworden, die Toten am Ende nur Zahlen - welch eine Tragik!

 

Erich Maria Remarque wollte vor allem aber auch auf die seelischen Verletzungen durch die Teilnahme am Krieg aufmerksam machen. Mehr Soldaten als je zuvor kamen mit extremen psychischen Schäden nach Hause zurück. Die Männer litten unter Panikattacken und Schweißausbrüchen, waren gelähmt oder sprechunfähig, ohne dass dafür körperliche Ursachen zu finden waren. Damals sah man sie eher als Schwächlinge, seelische Wunden wurden als nicht ernst zu nehmend angesehen. Erst viele Jahrzehnte später, in der Folge des Vietnamkriegs, kristallisierte sich ein Begriff für diese Leiden heraus. Psychologen sprechen von einer posttraumatischen Belastungsstörung.

 

Auch Erich Maria Remarque gehörte zu denen, die an Körper und Seele versehrt zurückkehrten. Er litt unter Angstattacken und Depressionen. Dabei war er wohl nur sechs Wochen an der Front. Aber das reichte aus, um aus ihm einen überzeugten Pazifisten zu machen. Der Erfolg des Romans überstieg alle Erwartungen. Weltweit wurde das Buch mehr als 20 Millionen Mal verkauft. Remarque selbst bezeichnete die jungen Kriegsteilnehmer als verlorene Generation, von der Schulbank weg in den Krieg geschickt.

 

„Wir waren noch nicht eingewurzelt, der Krieg hat uns weggeschwemmt“, schreibt er in seinem Roman. Die Grausamkeiten sind für Menschen, die nicht im Krieg gewesen sind, oftmals nicht vorstellbar und kaum verkraftbar. [nur in Kelzenberg]

 

Auch damals gab es schon die Hoffnung, dass die Erinnerung an diesen unmenschlichen Krieg mit seinen schrecklichen Folgen für immer zum Frieden ermahnt. Doch diese Hoffnung machte schon 20 Jahre später der Beginn des Zweiten Weltkriegs zunichte. 17 Millionen Opfer im Ersten Weltkrieg und über 60 Millionen Menschen auf vier Kontinenten ließen im Zweiten Weltkrieg ihr Leben. An seinem Ende lag halb Europa in Trümmern. Welch ungeheures Leid diese Kriege gebracht haben! Die Verfolgung von über sechs Millionen Juden in Europa und vieler weiterer Minderheiten gehört zu dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte und bedarf keiner weiteren Worte.

 

Derzeit tobt wieder ein Krieg in Europa und auch im Nahen Osten, in Israel, deren Grauen nicht fern ist, sondern täglich in kaum zu ertragenden Fernsehbildern dokumentiert wird. In Zeiten, in denen ein Krieg in Europa seit bald zwei Jahren und in Israel seit über einem Monat mit aller Härte geführt wird, hat die Auszeichnung eines Antikriegsfilms mehr als nur symbolische Bedeutung. Filmdirektor Edward Berger betonte, er habe vor der Rückkehr von Nationalsozialismus und Populismus warnen wollen. Er sagte: „Der Stoff ist leider relevanter, als wir es erwartet haben.“

 

Der heutige Tag dient unserer Erinnerung. Wir gedenken heute der Opfer von Gewalt und Krieg. Wir trauern mit allen Angehörigen, die enge Familienmitglieder oder Freunde verloren haben, und können die damit verbundene Verzweiflung und das Leid nachempfinden. Wir teilen ihren Schmerz. Dieser Gedenktag für alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft trägt seine Spuren in die Zukunft hinein. Wir müssen uns erinnern, um weiterhin unsere Kräfte für den Friedenskampf zu bündeln. Mit dieser Ausrichtung ist dieser Tag keinesfalls überholt, sondern leider im wahrsten Sinne des Wortes „brandaktuell“. Wir alle würden es uns von Herzen anders wünschen.

 

Der Krieg mit seinen Schrecken ist uns in den vergangenen Monaten sehr nah gerückt. Warum werden Kriege geführt? Was bewegt Führer von Staaten dazu, das eigene Volk zu opfern? Ist es die Ablehnung einer anderen Lebensführung? Ist es die Gier nach Bodenschätzen? Ist es der Hunger nach Macht?

 

Die Menschen sehnen sich doch nach Frieden für sich, ihre Familien und ihre Völker. Selbstverständlich wird dem Volk als Kriegsgrund ein anderer vorgegaukelt und dieser mit Lügen gerechtfertigt.

 

An diesem Tag wollen wir alle noch einmal unsere Verantwortung für den Frieden bekräftigen. Wir müssen unvermindert die Friedensbotschaft in die Welt tragen. Wir legen am heutigen Volkstrauertag diesen Kranz hier in Kelzenberg / Waat nieder, um der gefallenen und vermissten Soldaten und der getöteten Zivilisten zu gedenken. Ebenfalls denken wir an die aus ihrer Heimat vertriebenen oder geflüchteten Menschen und an alle an Leib und Seele Verwundeten. Es betrifft alle vergangenen und gegenwärtig tobenden Kriege. Damit wollen wir auch unsere Hoffnung zum Ausdruck bringen. Hoffnung darauf, dass wir Lehren aus der Vergangenheit ziehen und uns selbst einbringen. Hoffnung darauf, dass wir den Mut aufbringen, Missstände anzuprangern und nicht alles hinnehmen.

 

Wir stehen heute hier für die Kriegsopfer und wollen uns zukünftig dafür einsetzen, dass nicht noch mehr unschuldige Menschen ihr Leben oder ihre Gesundheit in sinnlosen Kriegen verlieren. Wir stehen heute hier in der Hoffnung, auch in Zukunft in Freiheit, Toleranz und Demokratie leben zu können. Wir stehen heute hier, weil wir alle Verantwortung dafür tragen, dass es auch auf unserem Boden nicht mehr zum Krieg kommt. Wir stehen heute hier, um innezuhalten und von Herzen mitzufühlen. Wir stehen heute hier, weil es unsere humanitäre Verpflichtung ist, uns zu besinnen und für den Frieden zu kämpfen. Lassen Sie uns deshalb nun gemeinsam schweigen.

 

(Schweigeminute)

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

leider ist der Volkstrauertag immer noch ein Tag, an dem wir nicht weit zurückblicken müssen, um seinen Sinn zu erkennen. Es ist ein Tag, der seine schmerzliche Aktualität bis heute nicht verloren hat. Wir stellen unwiderruflich die Erinnerung dem Vergessen entgegen. Der heutige Volkstrauertag mahnt uns, für die Werte der Demokratie einzutreten, den Kurs Richtung Freiheit, Frieden, Sicherheit und Völkerverständigung einzuhalten. Verneigen wir uns an diesem Tag in Trauer vor allen Kriegsopfern. Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Teilnahme.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 


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